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Al-Hussein-Moschee in Downtown während Ramadan (Foto:EMS/Uhle)
Al-Hussein-Moschee in Downtown während Ramadan (Foto:EMS/Uhle)
17. März 2024

Mein Ramadan-Tagebuch Teil 1

Amadea

Amadea

Jordanien
Internat
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Begleitet mich durch den Fastenmonat Ramadan

Liebes Ramadan-Tagebuch,

ich möchte dich auf meinen Weg durch den Fastenmonat Ramadan mitnehmen. In zwei Tagen ist es soweit. Ramadan beginnt. Das genaue Datum des Beginns wurde erst heute eröffnet. Jedes Land entscheidet, so weit ich es verstanden habe, selbst, an welchem Tag genau Ramadan beginnt. In diesem Jahr kann das frühste Datum der 11.03. sein. Länder wie Saudi Arabien oder Qatar haben ihren Ramadan-Beginn auf den 11.03. gelegt. Das Datum richtet sich nach dem Islamischen Mondkalender. Der Beginn des Ramadans orientiert sich danach, wann nach einem Leermond erstmals die Sichel des Neumondes am Himmel zu sehen ist. Er endet wieder mit dem nächsten Leermond. Somit können sich Start und Ende des Ramadans regional unterscheiden, da sie von der Sichtbarkeit des Mondes abhängen. Jordanien hat heute in einem Livestream den 12.03. als den Beginn festgelegt.

Trotzdem laufen die Vorbereitungen schon längst auf Hochtouren. Im Sprachunterricht behandeln wir Ramadan relevante Vokabeln und Verben und einen möglichen Tagesablauf während Ramadan. Überall wird Ramadan Dekoration verkauft und auch ich bereite mich auf eine ganz besondere Reise vor. Ich habe beschlossen, dieses Jahr das Fasten im Ramadan mitzumachen. Ich werde (erst einmal 2 Wochen) auf Essen und Trinken zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang verzichten. Muslime sind dazu auch noch während des Ramadans angehalten, auf das Rauchen, jegliche sexuelle Handlungen und Formen von Streit, Lügen und Boshaftigkeit zu verzichten. Auch dem werde ich versuchen nachzugehen. Der Unterschied ist nur, dass ich es nicht aus religiösen Gründen mache sondern für den Erfahrungswert. Für die Muslime allerdings sind in der Zeit des Ramadans das Innehalten, die Verbindung zu Gott sowie das Koranlesen und das Beten sehr wichtig. Denn Ramadan ist für die Muslime der wichtigste religiöse Monat im Jahr.

Zu Beginn des Fastens gibt es keine Festlichkeiten, wie das Aid am Ende Ramadans. Dafür ist sozusagen jedes Fastenbrechen nach Sonnenuntergang, was auch Iftar oder فطور [Ftoor] genannt wird, immer wie ein kleines Fest, welches meistens in familiären Kreisen gefeiert wird. Somit sind auch manche der muslimischen Internatskinder im Monat Ramadan nicht im Internat oder regelmäßig in der Schule. Sie verbringen den heiligen Monat lieber zu Hause in ihren Familien.

Meine persönlichen Vorbereitungen sehen also so aus. Im Moment versuche ich, zwischen den drei Mahlzeiten (Frühstück, Mittag und Abendbrot) nichts zu essen. Mein Körper soll sich so schon einmal langsam an weniger Mahlzeiten oder Snacks am Tag gewöhnen. Wasser trinke ich weiterhin über den ganzen Tag verteilt. Auch das Planen von Aufstehen, Essen und Sportmachen muss gemacht werden.

 

1 Tag vor Ramadan

Ich bin leider immer noch ein wenig krank. Somit werde ich morgen entscheiden ob ich mit dem Fasten beginne oder nicht. Denn vom Fasten ausgenommen sind kranke Menschen, alte Menschen, Schwangere oder stillende Frauen, Frauen an ihrer Periode und Kinder. Bei Kindern heißt es wohl: Sie sollen so viele Tage mit Fasten verbringen, wie sie es können. Bei manchen der anderen Ausnahmen ist es vorgeschrieben, dass sie die „versäumten“ Tage nach Ramadan nachholen sollen. Für Kinder wird manchmal auch das „Vogelfasten“ (nur zwischen den Mahlzeiten Fasten und ganz normal Trinken) vorgeschlagen. Wenn es mir morgen noch nicht richtig gut geht werde ich das auch erst einmal machen. Sobald ich gesund bin, werde ich dann aber sofort mit dem richtigen Fasten beginnen. Und nein, die verpassten Tage werde ich, denke ich, nicht nachholen. Für mich geht es bei diesem Fasten nicht darum, alles ganz genau so zu machen wie die Muslime. Ich bete ja auch nicht, sondern vielmehr geht es für mich um die Erfahrung, die Stimmung, die Disziplin und das tiefere Verständnis für die Gesellschaft. Denn egal ob man Muslim oder Christ oder einer anderen Religion zugehörig ist, ist das Leben in diesem Monat verändert: eine festlichere Stimmung, aber insgesamt eingeschränkter. Denn zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang darf man auf der Straße öffentlich nicht essen oder trinken. Auch Restaurants und Cafés machen erst zum Iftar auf.

 

Ramadan hat begonnen

رمضان كريمم.

Es ist 04.50 Uhr. Meine erste Mahlzeit wurde soeben eingenommen. Seit gestern Abend trinke ich, was das Zeug hält. Wasser und Tee sind die besten Flüssigkeiten, die man vor dem Sonnenaufgang in großen Mengen zu sich nehmen sollte, um den Wasserhaushalt des nächsten Tages aufrechtzuhalten. Zum Essen vor dem Sonnenaufgang, auch سحور [Suhoor] genannt, gab es bei mir eine große Schüssel Haferbrei mit Früchten, dazu Tee und viel Wasser. Jetzt gehe ich wieder schlafen, bis mein Wecker mich für die Sprachschule weckt. Ich bin sehr gespannt, wie die Stimmung unter den Menschen heute so ist und ob ich das Fasten mit eventuellen Ausnahmen (durch Krankheit) durchhalten werde. Ich melde mich am Abend wieder. Gute Nacht.

Ich bin zurück. Es ist 17.53 Uhr, knapp 13 Stunden nach meiner ersten Mahlzeit vor Sonnenaufgang. Ich fühle mich schlapp und müde. Ganz sicher kann ich mir aber nicht sein, ob das vom Fasten oder meiner anhaltenden Krankheit kommt. So langsam zieht sich die Zeit bis 18.49 zum Fastenbrechen. Nur noch weniger als eine Stunde. Ich habe vor allem Hunger. Mit dem Durst geht es relativ. Als ich heute Morgen zur Sprachschule ging, war die Stadt wie ausgestorben, die Läden geschlossen und kaum Menschen auf den Straßen. Es war wie an einem Freitag, obwohl heute Dienstag ist. Man wünscht den Menschen einen gesegneten Ramadan, und ich werde entweder freudig oder schräg angeschaut, wenn ich erzähle, dass ich dem Fasten beiwohne. Meine Sprachlehrerin habe ich auch gefragt, wie sie es findet, dass ich das Fasten mitmache. Sie war überrascht aber unterstützend, und sie persönlich glaubt, es ist eine gute Erfahrung. Für andere Muslime könnte es dennoch komisch sein und sie würden uns vielleicht fragen, warum.

 

Tag 2 in Ramadan

Die Kinder und Erwachsenen im Internat haben unterschiedliche Meinungen und Reaktionen auf mein Fasten zu Ramadan. Noch vor Beginn des Ramadans habe ich mir viele Gedanken über die Reaktionen von den Menschen um mich herum gemacht. Vor allem aber, weil die Einrichtung eigentlich christlich ist und es somit für die Christen (vor allem Erzieherinnen und Erzieher) komisch sein könnte. Deshalb war es mir ein Anliegen, verschiedene Menschen dazu auch zu befragen und deren Reaktionen zu sehen. Die kleinen Jungen in der Familie, mit der ich arbeite, finden es sehr cool, dass ich mit ihnen faste. Eine Christin wiederum war nicht wirklich begeistert davon, dass ich als Christin das Fasten mitmache. Sie hat mich und meine Mitfreiwillige gefragt, warum wir fasten würden während Ramadan. Wir antworteten ihr, dass wir zum einen sehr neugierig sind auf die positiv genannten Effekte des Fastens. Andererseits ist es schön, in einer überwiegend muslimischen Gesellschaft dem Fasten beizuwohnen. Wir wollen den Kindern, die Fasten Respekt zeigen. Zumal man im öffentlichen Raum trotzdem auch als Christin oder Christ mehr oder weniger gezwungen ist,zu „fasten“. Denn man darf öffentlich ja nicht trinken oder essen und auch nicht rauchen zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Auch die meisten Geschäfte, Cafés und Restaurants haben momentan größtenteils zu. Daraufhin meinte das Mädchen nur, dass die Muslime den Christen gegenüber auch kaum Respekt zeigen. Bis jetzt kann ich keine Aussage darüber treffen, wie sehr das der Wahrheit entspricht. Mir als Christin, aber vor allem als Ausländerin gesehen, sind die meisten sehr respektvoll gegenüber. Wie ihr seht, stößt das alles auf unterschiedliche Meinungen. Trotz der unterschiedlichen Meinungen bin ich auch hier in Jordanien, um neue Gewohnheiten, Ordnungen und auch Festlichkeiten zu beobachten und mitzuerleben. Ich denke, den Ramadan mitzumachen hat für mich und meine Erfahrungen am Ende vermehrt Vorteile.

 

Tag 3 in Ramadan

Ich hätte nicht gedacht, wie schnell sich der Körper umgewöhnen kann. Es ist unglaublich. Weder großen Hunger noch Durst verspüre ich während des gesamten 14-stündigen Fastens. Ja, ganze 14 Stunden hält es mein Körper tagsüber ohne Wasser und Essen aus. Unternehmungen des Tages müssen demnach aber gut geplant werden. Sonne muss so gut wie möglich vermieden werden. Auch der Sport muss entweder vor der ersten Mahlzeit (4.30–5 Uhr) oder nach dem Iftar (19 Uhr) passieren, damit man genug Energie hat. Rennen ist nicht. Auch sonstige sehr anstrengende Dinge werden vermieden. Zumindest jetzt am Anfang. Ich denke, mit der Zeit wird der Körper auch immer leistungsfähiger sein. Was auch gar kein Problem für mich ist, ist das Einkaufen oder anderen beim Essen zusehen. Da habe ich vermutlich auch ein starkes Mindset, weil ich das Fasten, wenn ich es schon mache auch richtig durchziehen möchte. Gespannt bin ich auf die langfristigen Auswirkungen hinsichtlich einer verbesserten Konzentration oder heilsamer biochemischer Veränderungen des Körpers. So wurde es mir im Internet jedenfalls verkauft. Ich halte euch auf dem Laufenden.

Die letzten Minuten am Abend sind die schwierigsten, wie ich finde. Am besten ist es generell, sich Dinge vorzunehmen, wie Blogschreiben, putzen oder Lernen, damit man was zu tun hat und nicht ständig auf die Uhr schauen muss. Das Fastenbrechen war die ersten zwei Mal ein wenig anders als erwartet. Ich hatte mich darauf gefreut, wieder essen, aber vor allem trinken zu können. Und als es dann so weit war, war mein Körper auf die Essensmassen und Wassermassen nicht vorbereitet. Demnach fiel es mir sehr schwer, etwas zu essen oder zu trinken. Es fühlte sich an, als wäre mein Magen komplett voll, was natürlich gar nicht stimmte. Ich hatte mit Bauchschmerzen zu kämpfen und habe mir alles mehr oder weniger reingezwungen. Wir (meine Mitfreiwillige und ich) haben mit einer Dattel angefangen. Danach kamen ein Teller Suppe und daraufhin eine kleine Schüssel leichter Naturjoghurt. Am Ende eine Portion Nudeln. Im Internet hatte ich mich zuvor belesen, wie man das Fasten am besten brechen sollte. Daher kam die Idee, mit den verschiedenen Gängen und der Dattel zu beginnen. Bei jedem Fastenbrechen beginnen Muslime damit, eine Dattel zu essen. Das hat sowohl symbolische, traditionelle als auch praktische Gründe. Der erste geht auf die Praxis des Propheten Muhammad zurück, der das Fasten mit dem Essen von Datteln und einem Schluck Wasser brach. Dazu sind Datteln reich an natürlichen Zuckerarten und Nährstoffen wie Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen, wodurch sie eine schnelle Energiequelle, die nach einem langen Fastentag dringend benötigt wird, liefern. Als süße Ramadan-Speise gibt es gerade überall Pancake-ähnliche Teile namens Qatayef, die dann gefüllt mit Schokolade, Sahne und Nüssen oder Käse verzehrt werden. Das haben wir mit den Kindern im Internat auch schon gemacht und zusammen gegessen. Es war für mich ein sehr schönes Erlebnis.

 

Tag 4 in Ramadan

Heute, da Wochenende ist, habe ich versucht, so lange wie möglich zu schlafen, damit die Fastenzeit kürzer ist. Noch 3,5 h bis zum Fastenbrechen. Vorgekocht haben meine Mitfreiwillige und ich das Meiste gestern schon. Doch eine neue Suppe und neues Brot stehen heute noch auf dem Plan. Wenn ich nicht unter der Woche im Internat das Fasten breche, mache ich das dann mit eigens gekochten Sachen allein mit meiner Mitfreiwilligen. Aus unserer WG fasten zurzeit zwei meiner Mitfreiwilligen und ich. Das macht einiges leichter, wie ich finde. So kann man zusammen auf die Uhr schauen oder sich austauschen, wie es einem gerade geht.

 

Tag 6 in Ramadan

Wie gestaltet sich eigentlich der Alltag eines Muslims während Ramadan? Meine Sprachlehrerin hat mir ihren Tagesablauf einmal aufgeschrieben.

Sie (und auch andere Muslime) beginnen ihren Tag mit dem frühen Essen am Morgen, dem Suhor. Danach ist das Morgengebet um 5:30 Uhr (die genauen Zeiten ändern sich über den Ramadan). Dieses Gebet heißt im Arabischen صلاة الفجر (salah al-fajer). Nach dem Essen geht es noch einmal ins Bett und man versucht zu schlafen. Dann beginnt der normale Tagesablauf: Man geht zur Arbeit oder in die Schule. Das Mittagsgebet ist dann gegen 12:50 Uhr und heißt صلاة الضهر (salah al-duhor). Danach lesen Sie Koran. Meine Sprachlehrerin meinte, dass es angesehen ist, den Koran mindestens einmal ganz durchzulesen während Ramadan. Manche Muslime schaffen ihn sogar mehrere Male durch. Zur Iftarzeit gibt es dann das Fastenbrechen (nach Sonnenuntergang – auch hier ändert sich die Zeit über die Wochen). Gleich danach wird noch gebetet. Das Abendgebet صلاة العشا (salah al-a’scha) ist dann circa 20 Min. nach dem Fastenbrechen. Als sie diesen Ablauf geschrieben hatte, war das Abendgebet ungefähr gegen 8 Uhr. Danach gehen sie noch zur Moschee, wo sie noch eine halbe bis eineinhalb Stunden beten sollten. Sie sagte mir sogar, dass sie früher die Zeit bis zum Suhor aufgeblieben ist und dann, wenn sie nach der Arbeit/Schule nachhause kam, erst einmal geschlafen hat.

 

Teil 2 wird folgen...

Bis dahin, مع السلامة

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Ramadan Dekoration im Internat (Foto:EMS/Uhle)
Ramadan Dekoration im Internat (Foto:EMS/Uhle)
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Berühmte Ramadan-Süßspeise Qatayef (Foto:EMS/Uhle)
Berühmte Ramadan-Süßspeise Qatayef (Foto:EMS/Uhle)

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